Venöse MS – Krampfadern im Hirn?

Eine verbüffende Hypothese macht derzeit im Netz die Runde: Ist die Multiple Sklerose bloße Folge einer Abflussstörung der zerebralen und spinalen Venen?

Die polnische Wissenschaftlerin Dr. Marian Simka hat bei MS-Patienten auffällige Venenverengungen gefunden. Ihre Spekulationen sind interessant: Der von ihr beobachtete Überdruck in den Hirnvenen könnte nicht nur zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Bluthirnschranke führen, sondern auch die Bildung entzündungsfördernder Cytokine in den gereizten Gefäßwänden auslösen.
Solche Botenstoffe würden schließlich Monozyten in antigenpräsentierende Zellen verwandeln und dadurch eine Attacke des Immunsystems gegen das Myelin auslösen; [MS eine Folge gestörten Blutflusses? & Original-Abstract].

Der Gefäßmediziner Paolo Zamboni von der Universität Ferrara präsentierte im April 2009 auf dem CX-Symposium eine ähnliche Beobachtung. Wie seine polnische Kollegin war er durch die häufige Koinzidenz venöser Anomalien mit der Multiplen Sklerose überrascht.
Darüber, ob sie Folge oder Ursache der MS sein könnten, wollte er allerdings nicht spekulieren. Immerhin, in einer laufenden Studie untersucht Zamboni derzeit die Wirkung einer endovaskulären Therapie [so was?] der Vena jugularis und Vena azygos an 100 MS-Patienten; [Endovascular treatment for multiple sclerosis & Original-Abstract].

Ganz neu ist die Krampfader-Hypothese freilich nicht. Dr. Franz Alfons Schelling aus Vorarlberg versuchte bereits in den 80er Jahren vergeblich, die Hypothese vom venösen MS-Auslöser zu propagieren; [Damaging venous reflux into the skull or spine: relevance to multiple sclerosis. Med Hypotheses 1986;21:141 8. PMID 3641027].

Herr Schelling galt schnell als Apologet einer pharmaindustriellen Therapie-Verschwörung. Seiner Idee hat damals niemand ernsthafte Aufmerksamkeit geschenkt. Vielleicht wird das ja jetzt anders? Wir werden sehen.

Nachtrag: Kopf hoch oder runter? Wenn die MS eine Folge gestörten Blutflusses wäre, ließe sich dann die Krankheitsaktivität durch die Schlafposition beeinflussen? Solche Fragen werden tatsächlich diskutiert. Wo? Natürlich im Weihe-Forum: Dezent Konfuses aus dem Hätte-Land. Fazit: Ausprobieren.

Erläuterung: Die Chronic Cerebrospinal Venous Insufficiency (eingedeutscht: Chronische Gehirn-Kreislauf-Insuffizienz) wird in bester angelsächsicher Akronymsynthetik CCSVI gerufen.

Lesetipps: Chronische Gehirn-Kreislauf-Insuffizienz via MS-Reporter, Just the facts, ma’am Userin „cheerleader“ via ThisIsMs.com & W. Weihes deutsche Zusammenfassung.

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